Interview (3) : Vom Livebetrieb einer Band (Ian spricht mit Ian)

Hi Ian, wie wäre es, wenn Du uns mal ein bisschen auf den neuesten Stand bringst, was Deine beziehungsweise eure musikalischen Projekte angeht?

Wo soll ich da anfangen?

Ich würde sagen, dort, wo Du beim letzten Mal aufgehört hast.

Und das war wo genau?

Mein letzter Stand war, dass Du auch mit einer Liveband unterwegs bist.

Richtig. Dann erzähl´ ich mal ein bisschen. Also, ich bin nach wie vor mit Björn, Markus und Falk unterwegs und wir spielen hier und da ein Konzert und basteln stetig an unserem Liveprogramm.

Wow, das hätte ich jetzt überhaupt nicht gedacht! Geht es vielleicht etwas genauer?

Könntest Du mir vielleicht ein paar Stichworte geben, damit ich weiß, was für Dich interessant ist?

Wie wäre es z.B. mit ein paar Sätzen darüber, in was für Läden und für welches Publikum ihr spielt, wie´s da so läuft und was eure Vision für die Zukunft ist – das übliche halt.

Okay, das kann ich kurz umreißen.
Also, die Läden, in denen wir unterwegs sind, sind so ziemlich das Gegenteil der großen Arenen, von denen jeder Musiker irgendwann einmal träumt.
Alles eher klein, überschaubar und meist mit jeder Menge Zigarettenqualm in der Atemluft.

Also eher die „Unterliga“, veranstaltungstechnisch gesehen?

Ganz und gar nicht!
Es ist immer wieder irre, wie viele Locations sich wirklich Mühe geben, musikalisch etwas für ihre Gäste auf die Beine zu stellen und sich dabei auch anständig – im Rahmen ihrer oft nur beschränkten Möglichkeiten – um die Musiker und ihre Belange kümmern.

Naja, das mag ja sein, aber es ist ja nun nicht gerade großer Rockstar- Glamour, auf einer kleinen Bühne zu stehen, oder?

Nein, das sicherlich nicht (lacht).
Und mit Groupies hinter der Bühne läuft da auch nicht so viel (räuspert sich).
Also, ich hab´ mich früher auch immer über Ex-Stars amüsiert, die keine großen Hallen mehr füllen und deshalb in kleinen Schuppen spielen und dann immer behaupten, dass sie die Club-Atmosphäre eigentlich sowieso viel besser finden (nickt, schürzt die Lippen und macht ein mmmmh) .
Schon klar! Das hab´ ich denen immer nicht abgenommen.
Aber mittlerweile verstehe ich, was sie damit meinen.
Also, nicht, dass ich schon einmal in einer Arena gespielt hätte, und den Unterschied genau kennen würde, aber vor etwas größerem Publikum auf einer etwas größeren Bühne war ich eben auch schon ein paar Mal unterwegs. Und wenn Du in einer kleinen Location mit eher wenig Publikum spielst, gibt es eine Menge Dinge, die einfach anders laufen und bei denen Du als Musiker sehr viel – hmm, ich nenne es mal exponierter und besonders gefordert bist.
Klar, es sind wesentlich weniger Augenpaare auf Dich gerichtet und die Besucher sind grundsätzlich in einer anderen Erwartungshaltung unterwegs, als wenn sie hundert Euro für eine Konzert hingeblättert haben, auf dass sie sich schon seit Jahren freuen, weil sie ihren Star endlich mal live sehen wollen.
Aber auf der kleinen Bühne hast Du weniger, dass von Deiner Performance -hmmm- ablenkt oder sie auf einem -hmmm- anderen Gefühlskanal ergänzt…
Kein aufwändiges Stagedesign, keine Lightshow, keine Pyrotechnik, keine Großleinwände mit coolen Videoeinspielern.
Das sind alles Dinge, die beim Publikum zusätzlich zur Musik emotionale Knöpfe drücken, die Du auf einer kleinen Bühne ohne diese Möglichkeiten eben nicht bedienen kannst.
Dann noch der mangelnde Platz. Besonders viele Kilometer kannst Du da natürlich nicht abreißen und mit einer ausgefeilten Choreographie kannst Du in aller Regel auch nicht punkten.

Wahrscheinlich würde man sich damit auf einer kleinen Bühne sogar eher lächerlich machen, oder?

Das kommt natürlich auf die Location an, aber grundsätzlich würde ich dem Zustimmen.
Aber: Selbst wenn man wollte: Oft teilt man sich den wenigen Platz auf der Bühne mit dem ganzen Equipment und jeder Menge Kabel und Ständer. Da sind peinliche Situationen durch ungewollte Unfälle beinahe vorprogrammiert, wenn Du auf einmal einen Moonwalk und ein paar großzügige Drehungen auf´s Parkett beziehungsweise Sperrholz legst.

( Kurzer Moment der Ruhe)

Sorry, ich hab´ Dich eben unterbrochen.

Äh, ja, wo war ich noch?

Bei dem, was auf einer kleinen Bühne im Gegensatz zur Großen nicht funktioniert.

Ach ja, richtig.
Also was ich noch sagen wollte ist, dass es auch mit der Gruppendynamik in einem kleineren Setting etwas schwieriger ist.
Wenn bei 1000 Zuschauern nur hundert Leute anfangen richtig abzufeiern, dann dauert es nicht lange, bis der Rest mit einsteigt.
Wenn Du aber nur knapp hundert Leute vor Dir hast, von denen sich gerade mal fünf oder zehn Mutige vor die Bühne trauen um Party zu machen, dann ist das einfach ein völlig anderes Ding.
Du musst in einer kleinen Location einfach mehr von Dir geben, um das Publikum ins Boot zu holen. Manchmal muss man sich dafür auch ein bisschen zum Löffel machen (grinst).

Man muss sich das Publikum also erst erspielen?

Richtig!

Und wie geht ihr das an?

Wir haben das Glück, dass wir mittlerweile einen kleinen, treuen Stamm von wirklich engagierten Freunden und – ich sag´ mal ganz größenwahnsinnig – Fans (benutzt seine Finger und zeichnet Gänsefüßchen in die Luft) um uns versammelt haben, auf die wir bei jedem Auftritt zählen können.

Das klingt ja beruhigend, aber wie holt ihr den Rest des Publikums ins Boot, also die, die euch nicht kennen?

Das ist manchmal tatsächlich nicht so leicht, aber im Grunde funktioniert es immer auf die gleiche Art und Weise:
Zeig´ dem Publikum, dass Du wirklich alles gibst, dann sind sie dabei.
Die Leute wollen Dich auf der Bühne arbeiten und schwitzen sehen und Dir nicht nur zugucken, wie Du vor Dich hin musizierst.

Und damit sind dann auch die Veranstalter zufrieden?

Oh ja!
Einige sind anfangs skeptisch, wenn wir ihnen erzählen, dass wir eigene Musik spielen.
Das kann ich auch voll verstehen!
Wenn sie eine gute Coverband einladen, die bekannte Songs nachspielt, dann wissen sie, was sie bekommen. Ein paar Partykracher, ein paar gut gelaunte Stammgäste, den einen oder anderen Drink für die Laufkundschaft und die Sache läuft.
Bei eigener Musik schrecken viele erst mal zurück, man weiß ja nicht wirklich, was einen erwartet. Aber bis jetzt haben wir noch jeden Veranstalter überzeugt.

Weil ihr so toll spielt oder doch nur wegen eures guten Aussehens?

(lächelt verschmitzt) Beides! (das Lächeln wird zu einem Grinsen) Und natürlich weil wir die Hälfte des Publikums selbst mitbringen!

(Kurze nachdenkliche Pause)

Mal im Ernst:

Ich glaube, dass viele Veranstalter ihr Publikum eher mit unternehmerisch gebotener Vorsicht einschätzen. Ist ja auch klar: Als Veranstalter musst Du sehen, dass Deine Gäste sich wohl fühlen und das am Ende des Tages auch die Kasse einigermaßen stimmt. Die Angestellten müssen ja schließlich auch bezahlt werden und da kann man es sich nicht erlauben, jemanden zu vergraulen.

Es ist sicherlich unternehmerisch vernünftig, so zu denken.
Umso bewundernswerter, wenn ein Veranstalter das Risiko eingeht und sich für eine Band entscheidet, die eigene Musik spielt.

Aber bei unseren Auftritten habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Leute wirklich neugierig sind und offen für neue Musik.
Die typische „Wir spielen die besten Partykracher von 1970 bis heute“-Nummer funktioniert natürlich klasse auf Geburtstagsfeiern, Betriebsfesten und Hochzeiten. Und da gehört sie definitiv auch hin.

Aber wer sich als Erwachsener schon mal aus dem Sofa schält um irgendwo hinzugehen und etwas anderes als die „Spielfilm-Tagesthemen– Bett“-Routine zu erleben, will sich amüsieren und lässt sich auch gerne überraschen.
Über die Schulterklopfer dieser Nachteulen nach einem Gig freue ich mich immer ganz besonders (grinst).

Heißt das, dass Du gar nicht vor großem Publikum spielen willst ?

Nein, das heißt es ganz und gar nicht. Natürlich will ich das! Aber das geht nicht so von jetzt und gleich und ist in unserem Fall auch nicht ganz einfach.

Warum? Was macht es denn schwierig?

Um auf großen Bühnen zu spielen, musst Du auch ein großes Publikum ziehen, also bekannt sein. Dieses Publikum musst Du Dir auch erst mal erspielen. Das ist aber schon in kleinen Läden nicht so einfach, denn die Leute kommen nicht in Scharen voller Enthusiasmus in Clubkonzerte um hinterher für immer Fans zu sein und auf jedes weitere Konzert der jeweiligen Band zu gehen.

Woran, glaubst Du, liegt das?

Ich hab´ für unsere Band da so eine Theorie, dass es daran liegt, dass wir mittlerweile alle die 20 leicht überschritten haben.

Was hat das eine denn mit dem anderen zu tun?

Eine ganze Menge, denke ich. Wenn Du so zwischen 15 und 20 oder etwas drüber bist, und in einer Schülerband spielst, dann hängt da auch immer ein ganzer Rattenschwanz von gleichaltrigen Schulfreunden dran, der auf Deine Konzerte pilgert, einfach, weil es ein Happening ist und man als Schüler gerne die Nacht zum Tag macht und drauf sch***t, ob man am nächsten Morgen früh aufstehen muss. Im Gegenteil – es ist sogar ziemlich cool, wenn Du am Tag nach dem Konzert in der Schule erzählen kannst, wie cool es war und dass Du zu Hause voll Ärger gekriegt hast, weil Du erst um halb drei zu Hause warst. Da gibt’s schon fast so eine Art Gruppendruck „dabei zu sein“, sofern die Band “angesagt” ist.

Als Erwachsener im Berufsleben oder auch im Studium sieht das meist ganz anders aus. Da kommst Du abends völlig fertig nach Hause und packst Dich auf die Couch. Und wenn Du da erst mal sitzt oder liegst und entspannst, überlegst Du Dir zwei Mal, ob Du noch mal aus dem Haus gehst, um Dir die halbe Nacht um die Ohren zu schlagen und am nächsten Tag wohl möglich total übermüdet bei der Arbeit aufzuschlagen, die eigentlich Deine ganze Energie erfordert. Wenn´s ganz blöd läuft, dann machst Du da auch noch einen blöden Fehler, den Du wieder ausbügeln musst und alles nur, weil Du ein paar Bierchen trinken warst und irgendeiner mehr oder weniger bekannten oder unbekannten Band deine Aufmerksamkeit geschenkt und sie nach deiner Rückkehr vorm viel zu späten zu Bett gehen nach ein paar Klicks auf ihre YouTube-Videos noch schnell bei Facebook geliked hast, um dann endlich in die Federn zu fallen.

Also, ich glaube, es ist einfach schwieriger, die Leute jenseits der 20 vor die Bühne zu bekommen, einfach, weil der Alltag im Weg ist und es bequemere Wege der Unterhaltung gibt.

Vielleicht solltet ihr es bei einem jüngeren Publikum versuchen?

Das würde so nicht funktionieren, denn sobald wir in einer Raucherbar spielen, ist der Eintritt erst ab 18. Außerdem fürchte ich, dass ich den zügellosen Sexappeal eines J.B., den man für ein jüngeres Publikum zwingend braucht, in diesem Leben wohl nicht mehr adäquat auf die Bühne bringen werde. (kurze Pause)
Wobei ich auch daran noch arbeite (grinst wieder)

J.B.? Du meinst Justin Bieber?

Häh? Nee, ich meine natürlich James Brown.

Ach so!

(Kurze, peinliche Stille)

Das war´s dann erst mal?

Einen Stichpunkt hab´ ich noch auf dem Zettel: Die Vision!

Ach ja, richtig.
Also, meine Vision, wenn man das so nennen kann,  für Live ist, meine Songs sowohl auf der kleinen wie auch auf der großen Bühne zu präsentieren. Ich will einfach mehr Leute ansprechen und diese spannende Reise mit ihnen teilen.
Und wenn ich schon bei einer Vision bin: Ich würde mich freuen, wenn ich den eben erwähnten, verantwortungs-überladenen und alltagsgestressten Menschen zeigen könnte, dass man auch als Erwachsener Riesenspaß an seiner Freizeit haben kann und das Leben so richtig genießen kann – so wie man es als Teenager gemacht hat.
Ich meine so mit allem drum und dran – mit all dem überschwänglichen Enthusiasmus und dem Gefühl, dass der Rest der Welt einen mal kann, so lange man verrückt genug ist, sich hin und wieder mal dem besonderen Moment abseits des Alltags hinzugeben.

Musik ist für mich etwas magisches, so wie Filme, Bilder, Bücher und die ganze restliche Kunst:
Sie ist nicht nur Unterhaltung, sondern erinnert uns daran wer wir sind, wer wir waren, und wer wir sein wollen.

Und genau das will ich rüberbringen!

 

(lange, nachdenkliche Pause)

 

Ian, danke für Deine Zeit.

Dito!